"Hallo! Ich heiße Evren, und meine Mutter und ich haben dieses Buch für dich geschrieben..."
So beginnt ›Außergewöhnlich! Ein Buch für Kinder mit seltenen Krankheiten‹, geschrieben von Evren Ayik, Student, und seiner Mutter Kara, die an der University of California, Merced, Schreiben unterrichtet. Evren leidet an der seltenen Niemann-Pick-Krankheit (engl. Acid Sphingomyelinase Deficiency, ASMD, dt. saurer Sphingomyelinase-Mangel), bei der ein fehlendes Enzym verschiedene Symptome hervorrufen kann. Bei seiner Diagnose im Alter von drei Jahren waren Leber und Milz vergrößert, er hatte steife Gelenke, Sehstörungen, Kopfschmerzen und Magenprobleme, so Evren.
Heute studiert er an der California State University in Fresno und will Sonderschullehrer werden. »Ich gebe mein Bestes an der Universität, möchte das Studium abschließen, einen Beruf ergreifen und einfach versuchen, das Beste aus meinem Leben zu machen«, sagt Evren.
Mutter und Sohn haben ihren Angaben nach das Buch für alle Kinder geschrieben, die mit seltenen Krankheiten leben. Es soll ihnen helfen, ihre Einzigartigkeit zu sehen und sich in der Welt weniger allein zu fühlen. Das sagen die beiden über ›Außergewöhnlich!‹.
Vita: Wer hatte die Idee, ein Buch zu schreiben?
Evren: Nun, ich wollte schon immer ein Buch schreiben. Nachdem ich die Highschool abgeschlossen hatte, schlug dann meine Mutter vor, eins zusammen zu schreiben und meine Leistung zu würdigen: den Highschool-Abschluss. Für jemanden wie mich ist es ein großer Meilenstein, so weit zu kommen. Genau genommen war es also eine Idee von uns beiden.
Vita: Wie lange hat es gedauert?
Evren: Ungefähr ein Jahr.
Kara: Eigentlich gibt es zwei Antworten, denn das Buch ist auch eine Zusammenfassung all der Lektionen, die wir über die Jahre lernen mussten. Bei Evren wurde die Diagnose gestellt, als er drei Jahre alt war. Von drei bis 18 – es hat also 15 Jahre des Lernens gebraucht, bis wir das Buch schreiben konnten.
Kara Ayik und ihr Sohn Evren
Vita: Was war das Beste bei der Arbeit an diesem Buch?
Evren: Es ist ziemlich cool, ein richtiger Autor zu werden und seinen Freunden und seiner Familie davon erzählen zu können. Zu sagen, dass man sein eigenes Buch veröffentlicht hat, es mit anderen teilen zu können.
Kara: Ich glaube, für mich gibt es zwei beste Dinge. Das erste ist: Ich bin so dankbar für Evrens Leben, und diese Dankbarkeit jetzt im wahrsten Sinne des Wortes greifbar werden zu lassen, tut mir gut. Der andere Punkt war für mich eine kleine Überraschung. Ich gebe zu, ich hatte mir gewünscht, kleine Kinder sagen zu hören: »Ich mag dein Buch.« Aber am Ende hörte ich am meisten von Erwachsenen mit seltenen Krankheiten, aus ganz unterschiedlichen Gruppen, die sagten: »Das ist genau die Erfahrung, die ich im Leben gemacht habe. Genau das.« Das war für mich eine enorme Befriedigung.
Vita: Wie kamen es zur Zusammenarbeit mit dem Illustrator Ian Dale?
Kara: Ich habe lange nach genau der richtigen Person gesucht, die das Buch bebildern sollte. Da es sich um ein Kinderbuch handelt, sind die Illustrationen genauso wichtig wie der Text. Als wir Ian gefunden hatten, mussten wir warten, bis er verfügbar war – es dauerte dann etwa ein Jahr, bis das Buch erscheinen konnte.
Vita: Evren, wie ist es, sich selbst illustriert zu sehen?
Evren: Das ist wirklich cool. Ich habe mich noch nie zeichnen lassen, auch nicht von einem Straßenkünstler oder so. Als Ian an unseren Skizzen arbeitete, schickte er sie mir und ich war einfach nur begeistert. Ich finde, dass er unglaublich gut dargestellt hat, wer ich bin und wie ich tatsächlich aussehe. Es ist wirklich cool zu sehen, wie sich das alles zusammengefügt hat.
Vita: Gibt es außer Evren noch jemanden in dem Buch?
Kara: Ja, klar. Der kleine rothaarige Junge, der neben Evren sitzt, an einem Laptop, ist einer von Evrens Freunden, der auch ASMD hat. Dann gibt es eine Katze, Pearl, die auf dem Schoß eines kleinen Mädchens sitzt, das eine Enzymersatztherapie bekommt. Und einige der Hunde-Illustrationen stehen stellvertretend für unsere Golden-Retriever-Hündin Valentine, die noch lebte, als das Buch entstand. Das war durchaus beabsichtigt, denn ich glaube, dass Haustiere gut für die psychische Gesundheit von Kindern sind. Haustiere mögen für manche eine Belastung sein, und sie verursachen Kosten, doch der Nutzen, den sie Kindern bringen, ist enorm. Deshalb war es mir wichtig, Tiere im Buch zu haben.
Vita: Gab es während des Schreibens Herausforderungen oder Rückschläge?
Evren: Es war eine Herausforderung für mich, weil ich wusste, dass mit der Veröffentlichung des Buches die Geschichte über das eigene Leben irgendwie öffentlich ist. Gegen Ende wurde ich schon nervös und machte mir Sorgen darüber, wer es alles sehen würde – dass mein Leben bloßgestellt würde. Aber ich beschloss, loszulassen, ich selbst zu sein und jeden wissen zu lassen, wer ich bin. Meine Geschichte zu erzählen, um anderen und Kindern mit seltenen Krankheiten zu helfen.
Vita: Was hoffen Sie, mit diesem Buch zu erreichen?
Evren: Ich hoffe einfach, dass es das Bewusstsein für Menschen mit seltenen Krankheiten stärkt. Und vor allem hoffe ich, dass es Kindern mit seltenen Krankheiten durch das, was ich durchgemacht habe, einen Leitfaden an die Hand gibt, an dem sie sich orientieren können – damit sie es ein bisschen leichter haben. Es ist auch für Eltern gedacht und so konzipiert, dass sie es auf unterschiedliche Kinder anpassen können, um ihren Kindern zu einem besseren Verständnis zu verhelfen.
Kara: Mein großer Traum sind weitere Übersetzungen. Ich glaube, das ist wichtig, denn wenn wir über emotionale Dinge sprechen, vor allem bei Kindern, will man nicht, dass sich eine zusätzliche kognitive Herausforderung störend auswirkt. Ich hoffe also wirklich, dass ich mehr Übersetzungen auf den Weg bringen werde. Bis jetzt gibt es das Buch [neben Englisch] nur auf Deutsch, doch ich würde es auch gern in Türkisch und Spanisch sehen. Jede weitere Sprache wäre wunderbar.