Wissen vermehrt sich schneller als je zuvor – der globalen Vernetzung sei Dank. Kaum eine Branche erlebt das stärker als die Forschung, wo weltweiter Austausch zu schnelleren Ergebnissen führt. Unternehmen können diese Vorteile der Kooperation fördern, sagt die aktuelle Forschung über Architektur und ihre Wirkung auf die Arbeit. Diese Erkenntnisse wurden bei der Planung der neuen Forschungs- und Bürogebäude M600 und M540 von CSL Behring in Marburg berücksichtigt. Denn insbesondere Unternehmen, in denen Erkenntnisse gewonnen und Ideen entwickelt werden, können durch gezielte Gestaltung der Arbeitsumgebung profitieren – ebenso wie die Menschen, die darin arbeiten.
Die Entstehung des Ökosystems „Co-Working-Space“
Wegbereiter bei der Neugestaltung von Arbeit und Arbeitsarchitektur ist die Kreativwirtschaft. Sie hat die digitale Transformation früh vollzogen [1, 2] und damit die Zukunft der Arbeit vorgedacht. Die in der Kreativbranche erhobenen Daten und daraus gewonnenen Erkenntnisse über die Wirkung von (Innen-)Architektur auf Arbeit geben auch für andere Branchen Aufschluss [3]. Zum Beispiel konnte gezeigt werden, dass sogenannte Co-Working-Spaces durch ihre Architektur einen neuen Mix aus kooperativen und individuellen Arbeitssituationen schaffen. Dabei entsteht mehr als eine veränderte Anordnung von Arbeitsbereichen: ein Ökosystem, das Ideen fördert [4].
Als Co-Working hat sich das gemeinschaftliche Arbeiten eigentlich unabhängiger Akteure entwickelt, die die gleiche Infrastruktur nutzen, die also nebeneinander, aber eigentlich nicht miteinander arbeiten. Seinen Ursprung hat das Prinzip im allerersten Co-Working-Space namens Hat Factory („Hutfabrik“), das 2005 in San Francisco eröffnete und dessen Konzept seitdem zu einem globalen Trend geworden ist [8].
Erkenntnisse aus der Arbeitspsychologie
Die Forschenden haben ihre Erkenntnisse aus einer Kombination von Erhebungsmethoden aus strukturierten Tiefeninterviews und Onlinebefragungen sowie Fallstudien zu Co-Working-Spaces zusammengestellt. Die Ergebnisse belegen die Chancen dieser neuartigen Arbeitsumgebungen und zeigen, welche Voraussetzungen für ein fruchtbares Miteinander förderlich sind. Dazu gehören Raum für Interaktionen mit anderen, flexible Arbeitszeiten und die Förderung zufälliger Ideen [5, 6, 7].
Ein weiteres beachtenswertes Beispiel für eine erfolgsfördernde Planung von Arbeitsumgebungen, die auf mehr Austausch zielen, sind die sogenannten Accelerator- oder Inkubator-Programme. Dort arbeiten etablierte Unternehmen in räumlicher Nähe zu Freelancern und Start-ups, um dadurch die interne Produktivität und den (informellen) Wissensaustausch zu steigern [8].
Architektur im Dienst des Menschen
Für den Erfolg innovativer Unternehmen spielen auch soziale Faktoren eine Rolle. Umgebungen, die das Wohlbefinden und die Verbundenheit der Mitarbeitenden steigern, sorgen für mehr Motivation und mehr Produktivität. Die Ergebnisse der Studie Global Coworking Survey zeigen zum Beispiel das Wohlempfinden von Mitarbeitenden in Co-Working-Spaces: Sie fühlen sich zufriedener, kreativer, konzentrierter und sogar gesünder [9]. Dabei fördert Co-Working insbesondere die Kreativ- und Projektarbeit, die Kooperation in wechselnden Arbeitssituationen und das Gefühl der Zusammengehörigkeit. [10]
Insgesamt lässt sich aus den vorliegenden Untersuchungen zusammenfassend festhalten: Arbeitsräume, die einen Mix aus Kooperation und Individualität anbieten und Arbeitende zusammenbringen, die nebeneinander, aber nicht zwangsläufig miteinander arbeiten, empfehlen sich als zukunftsweisende Arbeitsform mit zahlreichen Vorteilen.
Quellenverzeichnis
[1] BMWi (Hrsg.): Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2020. Kurzfassung, Berlin: BMWi, 2020, Link (Abrufdatum: 17.05.2022)
[2] Lange, B.; Knetsch, F., Riesenberg, D.: Kollaborationen zwischen Kreativwirtschaft und Mittelstand - Erfolgsfaktoren, Methoden und Instrumente, Wiesbaden: Springer Gabler, 2016.
[3] Bauer, W.; Rief, S.; Stiefel, K.-P.: Corporate Coworking – Innovationstreiber für Unternehmen, Stuttgart: Fraunhofer Verlag, 2017.
[4] Pepler, V.; Engstler, M.; Stiefel, K.-P.: Kooperationsarbeit zwischen Akteuren der Kultur - und Kreativwirtschaft in Coworking Spaces und Kreativzentren. Wissenschaft und Forschung an der Hochschule der Medien, Stuttgart. Link, (Abrufdatum: 17.05.2022)
[5] Engstler, M., Lämmerhirt, J., Nohr, H.: Trendbarometer Kreativwirtschaft Baden-Württemberg 2013 – Ergebnisse einer Befragung von Kreativschaffenden, Stuttgart: Kohlhammer, 2013.
[6] Engstler, M.; Mörgenthaler, L.; Nohr, H.: Trendbarometer Kreativwirtschaft Baden-Württemberg 2015 – Reale und virtuelle Orte der Kooperation von Kreativschaffenden in Baden-Württemberg, München: Grin, 2015.
[7] Bauer, W.; Rief, S.: Stiefel; K.-P.; Weiß, A.: Faszination Coworking: Potenziale für Unternehmen und ihre Mitarbeiter, Stuttgart: Fraunhofer Verlag, 2014.
[8] Ebert, D.: Wissenstransfer im Coworking Space: Lokale Lerneffekte und geographische Nähe, Bremen: Universität Bremen, 2016.
[9] Foertsch, C.: Deskmag’s coworking survey, Link (Abrufdatum: 17.05.2022), 2014.
[10] Oliver Linssen et al. (Hrsg.): Projektmanagement und Vorgehensmodelle 2019, Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik, Bonn 2019.